Im Alltag gibt es viele Situationen, in der man genervt oder vielleicht sogar ein klein wenig wütend reagieren möchte, es aber nicht macht.
Wenn die Frau etwas ins Spülbecken stellt, statt es abzuspülen und wegzuräumen. Wenn der eine Kollege, der immer alles schriftlich dokumentiert haben möchte, immer wieder Dinge fragt, die eben auf seinem Wunsch hin nachzulesen sind. Man möchte dann maulen und motzen. Aber was bringt das? Gar nichts. Das Gegenüber wird in Abwehrhaltung gehen, man wird sich streiten (vermutlich weniger um das eigentliche Problem als mehr darum, dass der eine den anderen an mault) und keiner wird etwas aus der Situation mitnehmen.
Also schluckt man es runter und gut. Gesellschaftlich angepasst? Zivilisierter Konsens? Was auch immer.
Unmerklich staut sich da in einem eine Menge an. Und das muss raus. Irgendwann und irgendwie. Das passiert dann aus heiterem Himmel und gegen Personen, Menschen, Dingen die einem Fremd sind. In Situationen, die eigentlich gar nicht so relevant sind. Beispiele? Klar, warum nicht.
Beispiel 1
In einer schlecht gepflegten Pflanz-Insel (diese Dinge zur Verkehrsberuhigung) lag ein laminierter Zettel mit dem Spruch: „Gönnen Sie Ihrem Hund etwas Abwechslung und lassen Sie ihn in Ihren eigenen Vorgarten kacken“. Erstmal 1 von 10 Kackhaufen für Kreativität. Was für ein dummes Zeug. Ich bin tatsächlich ein wenig eskaliert und konnte mich noch gut 20 Minuten später über diesen Zettel aufregen. Selbst jetzt noch. Mein erster Impuls war einen Zettel hinzulegen: Sorry, da scheißen schon Mäuse, Marder, Igel, Eichhörnchen und die verkackten Nachbarskatzen. Habe es aber gelassen und mich einfach nur verbal gegen die Anonymen Stänkerer ausgelassen. Das hat richtig gut getan.
Auf der neuen, noch nicht eröffneten, Fahrradstraße war am 1. Mai der Bär los. So richtig .. klar. Alle haben Langeweile, Wetter war toll. Also ab aufs Rad. Kann ich ja verstehen. Eine Gruppe von 6 Männern und Frauen fährt fröhlich schwatzend nebeneinander her und nehmen dabei beinahe die ganze Straße ein.
Beispiel 2
Hinter dieser Gruppe fährt ein Motorrad. Ein Anwohner der auf Tour will. Da höre ich einen Typen laut sprechen: „Die dürfen hier ja nicht überholen. Die können mal schön hinter uns fahren.“
Auch das lässt mich schon wieder total eskalieren, obwohl ich ja gar nicht betroffen bin und ich Motorräder auch total beschissen und überflüssig finde. Aufgeregt hat mich natürlich die Arroganz, mit der eine Verkehrsregel zum eigenen hämischen Vorteil ausgelegt hat. In der STVO steht nämlich
Falls Pkw und/oder Motorräder zulässig sind, dürfen sie den Radverkehr weder behindern noch gefährden. Sie dürfen also nicht drängeln, wenn Radler nebeneinander fahren – was hier ausdrücklich erlaubt ist.
Was aber nicht bedeutet, dass man PKW und Motorrad Kilometer weit hinter einem her trotten lassen muss und absichtlich breit nebeneinander fährt. Denn Paragraf 1 der STVO besagt
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. (2) Wer am Verkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird
Was im Kern soviel heißt wie: Du verfickter Radfahrer kannst gerne Platz machen, um das Motorrad nicht unnötig an der Weiterfahrt zu hindern, denn irgendwann bis du mal der Typ, der hinter der Fahrradkolonne herfährt und dich ärgern wirst, dass du nicht 5 km/h mehr fahren kannst.
Worauf wollte ich hinaus?
Der Schildschreiber war gefrustet und hat sich vermutlich mehr über irgendwas anders als die Hundescheiße geärgert. Hier konnte er mal flott seinem Frust freien lauf lassen. Der Radfahrer hat im Leben vermutlich nichts zu melden und muss sich ständig unterordnen und ist deswegen so wild darauf, mal die Oberhand zu haben und das auch schlau und laut kundzutun. Beide haben ein Ventil für den Alltagsfrust gefunden und etwas Dampf abgelassen. Beide haben damit mir ein Ventil für meinen Frust gelassen. Auch ich konnte gegen jemand anmeckern und schimpfen, der sich nicht wären kann und muss. Und irgendwie tue ich damit ja keinem weh. Eine Win-Win-Situation?
Aber was, wenn das einer der Beteiligten eskalieren lässt? Ich hätte den Radfahrer anbrüllen können, oder einen Stock zwischen die Speichen werfen. Ich hätte aus Protest selber ins Pflanzbeet kacken können oder alle Hundetüten von zuhause dahin kippen. Was dann?
Ach keine Ahnung … Lose Gedanken und kein Ziel….
2 Antworten zu „Wut“
Deswegen wurde Bier erfunden.
kein Ziel, aber hast du schon gesehen, dass der Zettel jetzt unter unsere Hecke vor sich hinschimmelt??? ich sag’s nur mal