Mutter – High Level Hausfrau

Böse und versöhnliche Worte zum Leben eines geliebten Menschen.

Das muss man meiner Mutter lassen. Sie hat das Spiel gespielt. Sie hat die Hausfrauen-Karriere früh begonnen und sich sukzessive weiter hochgearbeitet und hat sich von den ersten Misserfolgen nicht klein kriegen lassen.

Klar hätte sie nach den ersten Misserfolgen die Branche wechseln können. Die Kinder wären schon irgendwie groß geworden. Rein in einen neuen Beruf und schauen, was da geht. Stattdessen ist sie konsequent bei Ihrem Berufsbild geblieben und hat den Arbeitgeber gewechselt.

Und durch geschicktes Taktieren hat sie es dann mit knapp über 40 in die Chefetage geschafft und weitere 40 Jahre den Laden geschmissen und im Luxus geschwelgt. Top.

Böse? Ja vielleicht. Aber wenn man sich den Lebenslauf so anschaut, dann ist es ja wirklich so. Viele werden jetzt vermutlich aufschreien und von der Unterdrückung der Hausfrau sprechen, vom Patriarchat. Viele Frauen werden auch, zurecht, von ihren eigenen Tagen berichten, die stressig sind. Ein Leben, in dem man neben dem Beruf noch Haushalt und Kinder schmeißt. Wie ich mich da anmaßen kann, so über meine Mutter zu reden? Als Mann.

Aber da muss man natürlich fair bleiben. Meine Mutter war Hausfrau und nicht Helikoptermutter. Ihr „um uns Kümmern“ bestand darin, dass sie dafür gesorgt hat, dass wir Nahrung, Klamotten und ein sauberes Zuhause hatten. Und natürlich hat sie auch emotionale Wärme gegeben. Aber Schule, Hobbys und Interesse, Sportvereine und was da alles mit zusammenhängt. Das war nicht ihre Welt. Elternabende muss Vater machen, zum Training wurden an vom Vater oder Stiefvater gefahren. Wenn man krank war, lag man im Bett und wurde versorgt. Die meiste Zeit war man aber alleine. Man konnte rufen und wenn der Staubsauger nicht lief, dann kam auch wer.

Ihr war immer wichtig, dass alles sauber und ordentlich ist. Im Haus und drumherum. Kurz bevor meine Eltern sich trennten, machten wir einen Urlaub im Schwarzwald. Ferienwohnung. Auf einem Foto sieht man, dass meine Mutter im Bikini vor der Ferienwohnung steht und das Auto putzt. Der Dreck der Anreise musste weg. Darauf ist sie noch heute stolz. Wir Kinder waren mit Vater am Bachlauf und genossen die Natur.

Dass Mütter zu Hause waren und Väter das Geld verdienten, das war bei uns im Dorf der Normal zustand. Einige Mütter gingen Teilzeit arbeiten. Meine Mutter sagt dann so Sachen wie: Wenn die zu Hause richtig putzen würde, dann wäre ihr auch nicht so langweilig, dass sie arbeiten gehen muss.

Die Mutter meines besten Freundes war Nachtschwester im Krankenhaus. Das wiederum war heroisch. Denn Tagsüber den Haushalt schmeißen und nachts arbeiten gehen, das ist schon sehr fleißig. „Aber sicher auch leicht verdientes Geld. Die sitzt doch die meiste Zeit gelangweilt in Ihrem Kabuff und schläft.“ (nicht meine Aussage)

Und dann gab es vereinzelt Frauen, die arbeiten mussten. Der Mann war arbeitslos oder SIE konnte nicht mit Geld umgehen. Da hatte man dann Mitleid.

Ich führe aktuell viele gleichlautende Gespräche mit meiner Mutter. Bedingt durch die Demenz kommen wohl immer die gleichen Gedanken in Ihren Kopf und es scheint sich dabei viel auch um Vergangenheitsbewältigung zu handeln. Als ob Sie ein Resümee ziehen möchte.

Ihr Einstieg ins Arbeitsleben war nicht schön. Der erste Mann ein Trinker, sie hat die Kinder gerettet und war stark. Gott wollte, dass sie sich vom zweiten Mann trennt, damit alle abgesichert wären. Gott wusste ja, dass er einige Jahre später sterben würde und so weiter.

Sie erzählt die gleichen Dinge, macht die gleichen Aussagen und versucht offenbar jede Entscheidung im Leben vor sich und uns zu rechtfertigen. Irgendwo tief in ihr drin, weiß sie, dass sie mehr aus ihrem Leben hätte machen können. Irgendwo tief in ihr drin ist sie damit unzufrieden, wie ihr Leben verlaufen ist. Und das verschafft ihr offenbar eine Unruhe und beschäftigt sie sehr.

Ist die Demenz das abschließende „Fick Dich!“ des Lebens?

Ich hab schon vor Jahren aus dem Leben meiner Mutter etwas gelernt. Nämlich:

Belüge dich nicht selbst. Sei dir jeder Entscheidung in deinem Leben bewusst und stehe zu dieser. Und nur du selbst bis für dein Leben verantwortlich.

Und am Leben meiner Mutter sieht man vielleicht, dass so einfach Worte eben gar nicht so einfach umzusetzen sind.