Gelebte Gleichberechtigung?

Die von mir sehr geschätzte Frau Cammarata hat in Ihrem Artikel Zeit ist nicht Geld, Geld ist aber Macht, mit Fakten das finanzielle Ungleichgewicht in deutschen heterosexuellen Beziehungen ganz gut dargestellt. Verstörend für mich sind die Kommentare darunter. Ablehnung und Angriff. Dabei zwingt Patricia ja niemanden etwas auf. Sie berichtet nur. Sie schreibt nur. Sie erzählt und informiert. Natürlich hat sie einen Wunsch, etwas zu ändern. Aber sie hat keine Waffe in der Hand, um diesen Wunsch durchzusetzen.

Zufällig hab ich neulich auch Nora Tschirna im „Alles Gesagt“ Podcast gehört. Und auch sie hat sehr tolle Beiträge zum Thema Feminismus und Gleichberechtigung gebracht. Die beiden Damen bringen mich immer sehr ins Grübeln.

Ich möchte hier in kurzen Abrissen erzählen, wie das bei meiner Frau und mir so alles passiert ist. Was gut funktioniert hat und warum wir immer nur die richtigen Entscheidungen treffen. Aber wo es auch Stolpersteine und Problem gab.

Eigentum

Als wir immer wieder hohe Nebenkostenabrechnungen bekamen, entschieden meine Partnerin und ich uns dazu uns Eigentum anzuschaffen. Wir wollten frei von der Willkür eines Vermieters sein und waren uns sicher, dass wir bei Eigentum immer mit einem Plus am Ende rausgehen.

Tatsächlich war ich der Treiber in dieser Geschichte. Ich bin mir aber nicht sicher warum.

War es, weil ich auf dem Dorf aufgewachsen bin, wo jeder sich Eigentum anschafft und meine Frau aus der Stadt kommt, wo Mieten das vorrangige Wohnmodell ist? War es, weil meine Frau aus dem Osten stammt und Eigentum etwas sehr Besonderes ist? Oder war ich einfach mutiger?

Wie auch immer, ich habe meine Partnerin zu nichts gezwungen. Ich kann mich an lange Gespräche erinnern, in denen das für und wieder besprochen wurde. Auch über die Art des Kredites, was der Kosten darf und was wir uns leisten können. Alles das wurde so lange durchgekaut bis es für beide passte.

Uns beiden war also zu jedem Zeitpunkt klar, was unser Ziel war. Und so gab es auch keine Streitereien, wenn ein Objekt zu teuer war oder ein Grundstück zu klein. Als klar wurde, dass wir nicht kaufen können und wir deswegen aufs Land ziehen und dort was Neues bauen (Eigenleistung ersetzt Eigenkapital) haben wir auch das gemeinsam entschieden. Aber auch hier erst nach vielen Gesprächen und Rechnen und überlegen.

Die Menschen um uns herum glaubten, dass wir heiraten müssten, bevor wir uns Eigentum anschaffen. Sonst würde das Haus ja nur einem gehören und der andere wäre gelackmeiert, falls die noch junge Beziehung zu Ende geht. Es gab aber auch den Verdacht das ich meine Partnerin ins verderben dränge. Als Mann sag, ich ja wo es lang geht.

Während der Bauphase hat meine Partnerin aber genauso hart mit angepackt wie ich. Und wir beiden haben da viel gelernt. Handwerklich, aber auch über einander. Wir haben in der Zeit sicher viel sorgen gehabt. Aber nicht viel gestritten. Worüber auch? Die Dinge wurden ja gemeinsam entschieden und die Randbedingungen waren klar. Wenn Geld alle, dann Geld alle.

Schwangerschaft

Tja und dann waren wir schwanger. Einfach so. Ungeplant und eigentlich auch zu einem beschissenen Zeitpunkt. Das Haus war fertig, das Geld war alle. Im Frühling stand der Garten an. Es gab aber auch noch offene Rechnungen, über die man sich noch mit den Dienstleistern streiten musste. Und jetzt musste ein Kinderzimmer eingerichtet und Babyequipment angeschafft werden. Und man müsste mit dem Geld auskommen, obwohl ein Gehalt wegfällt.

Die Schwangerschaft selber war für meine Frau nicht ganz einfach. Gesundheitlich. Für mich war ziemlich schnell klar, dass jetzt geheiratet werden musste. Weniger romantisch, nur aus einer sachlichen Einschätzung heraus. Wenn etwas passiert wäre, z.B. bei der Geburt, hätte ich nur als Ehemann entscheiden dürfen, was mit meiner Frau passiert oder mit dem ungeborenen Kind. Ich weiß nicht, ob es da heute schon andere Optionen gibt, aber damals war das so. Wäre meine Partnerin bewusstlos und jemand hätte entscheiden müssen, was die nächsten Schritte sind, dann hätte das die Schwiegermutter machen müssen. Per Telefon. Im 300 km entfernten Schwerin. Außerdem brauchten wir während der Elternzeit die steuerlichen Vergünstigungen. Ohne wäre es nicht gegangen.

Hier sieht man aber den Stellenwert der Ehe in der Gesellschaft. Für uns hat die Ehe keinerlei Bedeutung. Wir tragen keinen Ring und feiern den Hochzeitstag nicht. Auch rechtlich haben wir keinerlei Vorteile. Daran festgehalten wird aber dennoch, da es eben ganz viele andere Lebensmodelle gibt, in denen eine Ehe durchaus Relevanz hat.

Elternzeit

Zum Glück wurde gerade das Elterngeld eingeführt. Meine Frau nahm für 2 Jahre Elternzeit, das Elterngeld sollte in den ersten 12 Monaten ausgezahlt werden, danach wollte meine Frau wieder arbeiten.

Für mich war keine Elternzeit geplant. Wir hätten uns das wirklich nicht leisten können. Nicht mal für 2 oder 3 Monate.

Für mich gab es nur Hop oder Top. Entweder ich 12 Monate oder meine Frau. Das wäre für mich auch kein Problem gewesen. Aber zu dem Zeitpunkt als wir das entscheiden mussten, sind wir natürlich davon ausgegangen, dass das Kind gestillt wird. Wie sollte das gehen, wenn meine Frau in der Firma ist? Außerdem waren wir dermaßen von Hebammen und Fachliteratur beeinflusst. Alle bescheinigten uns, dass dieses erstes Jahr soooo wichtig für die Bindung von Mutter und Kind ist.

Von der Bindung zwischen Vater und Kind sprach niemand.

Überhaupt ist der Vater in diesem Konstrukt total irrelevant und wird von der ganzen Schwangerschafts- / Elternindustrie in die reine Ernährer-Rolle gedrängelt. Ganz klar.

Dass meine Frau keinen Bock mehr auf Ihren Job hatte, zahlte natürlich auch mit ein, aber dazu später mehr.

Als der Bengel dann da war, gab es keine Muttermilch. Der Bengel war zu faul und wurde zum Flaschenkind. Das hatte für mich den Vorteil, dass ich richtig schöne Moment hatte. Ich konnte nachts aufstehen und das Kind füttern und dann auf meinem Arm wieder einschlafen lassen. Das hatte für meine Frau und mich auch den Vorteil, dass der Bengel recht zuverlässig schlief. Ersatznahrung macht einfach satter.

Das erste Lebensjahr war aber auch geprägt von „Kinderkrankheiten“, wie es so schön heißt. Neurodermitis, Probleme mit der Muskulatur, verformter Kopf und die üblichen kleinen Wehwehchen. Man (bzw. Frau) war also viel beim Arzt mit dem Bengel. Ohne Elternzeit? Keine Ahnung, wie das hätte funktionieren sollen. Man kann ja schlecht eine Nanny zum Kinderarzt schicken.

Und zum ersten Mal begannen wir uns regelmäßig zu streiten.

Das Geld war knapp und man musste diskutieren, welche Ausgaben notwendig waren und welche nicht. Hinzu war meine Frau unzufrieden. Das Muttersein füllte sie nicht aus. Auch hatte sie, so glaube ich, das Gefühl weniger wert zu sein oder weniger Entscheidungen treffen zu können. Das kann natürlich auch anders gewesen sein. Aber das war eben mein Eindruck.

Ich glaub nicht, dass ich den Larry hab raushängen lassen. Aber ich vermute, es passiert automatisch, dass die Frau sich freut, dass der Mann nach Hause kommt und das Essen schon fertig auf dem Tisch steht. Das mit dem Mann das erste richtige Gespräch des Tages stattfindet. Und das Gespräch eben bedeutet: Was der Mann da draußen im Dschungel so erlebt hat.

Es gab also viele Gründe, wieder ins Berufsleben eintauchen zu können. Es gab aber keine Gründe, in den alten Beruf zurückzukehren. Die Elternzeit erlaubt es ja, als Minijobber Geld zuzuverdienen. Das machte meine Frau dann ab dem zweiten Jahr. Sie probierte verschiedene Dinge aus und landetet bei Rossmann. Und wurde dort glücklich.

Das Arbeitsverhältnis bei der Telekom wurde aufgelöst und bei Rossmann ein 20 Stunden Vertrag angenommen. Im Einzelhandel ist es durchaus üblich, keine Vollzeitstellen zu vergeben. Oder eben nur wenige. Man braucht viele Mitarbeiter in Teilzeit, um möglich flexibel ein großes Zeitfenster abdecken zu können.

Kinderbetreuung

Aber jetzt wurde es kompliziert. Beim Minijob mit 10 Stunden die Woche konnte man es immer regeln, dass ich zu Hause war, wenn meine Frau arbeitete. Bei 20 Stunde ging das aber nicht mehr. Wir brauchten also eine Betreuung für den Bengel und ein zweites Auto. Wir leben auf dem Land, die Strecken waren nicht anders zu bewältigen.

Rossmann hat ganz gut gezahlt, die Kinderbetreuung wurde vom Landkreis bezuschusst. Aber ob sich, das alles unterm Strich gerechnet hat, kann ich so gar nicht sagen. Fakt war aber, dass es eine Investition in unsere Zukunft war. Wir hatten jetzt beide Jobs, mit den wir glücklich waren. Und es gab Entwicklungspotential.

Die Kinderbetreuung zur organisieren, war aber gar nicht so einfach. Das Konzept der Tagesmutter ging nur auf, wenn möglichst viele Kinder zur gleichen Zeit betreut werden. Eine Tagesmutter durfte offiziell 5 Kinder zur gleichen Zeit betreuen. Für jedes Kind gab es 5 Euro die Stunde. Damit also ein anständiger Stundenlohn dabei herauskommt, mussten alle Kinder zur gleichen Zeit da sein. Die Tagesmütter hatten also feste Zeiten, in den betreut wurde. Für den Einzelhandel eher schlecht.

Irgendwann hatten wir dann eine Tagesmutter gefunden, der das egal war. Sie ist von 7 bis 17 Uhr da und man konnte die Kinder bringen wie man wollte. Perfekt für uns.

Als es dann zum Kindergarten ging, konnte meine Frau mehr Stunden bekommen und wir bewarben uns auf Ganztagsbetreuung im Kindergarten. Das klappte auch ganz gut. Nur hat der Kindergarten nicht ganz verstanden, warum Eltern sowas machen. Es war immer eine leichte abschätzigkeit den Eltern gegenüber und nicht immer war dem Kindergarten klar, dass die in erster Linie zur Kinderbetreuung da sind.

Wie ich mitbekomme, ist das aber bei anderen Kindergärten nicht viel schlimmer. Beispiel: Eingewöhnungsprogramm. Viele Kindergärten wollen, dass die Eltern für einige Wochen eine gewisse Zeit im Kindergarten verbringen. Das Kind soll langsam an die neuen Dinge gewöhnt werden. Das geht dann so weit, dass die Eltern in der letzten Phase das Kind abgeben und stundenlang in einem Nebenraum hocken und warten müssen. Für viele Paare bedeutet das: Urlaub nehmen. Den Kindergarten beginnt mit dem dritten Geburtstag. Zufällig auch das Ende der 3 Jahre Elternzeit. Schwierig.

Es wird leichter

Über 1600 Wörter bis hier. Und wir sind erst im Kindergarten.

Die Umstellung von Kindergarten auf Schule war noch mal schwierig. Ganztagsschule ist noch mal ein ganz anderes Konzept. Ganztagsschule ist nämlich nur bis 15:30 und auch nur an drei Tagen in der Woche. Für Berufstätige ein Super-GAU. Meine Frau war inzwischen Leitung und auf Vollzeit. Die Grundschuljahre sind dann also richtig schwierig geworden. Und vor allem auch für das Kind. Denn jetzt ist es den ganzen Tag in der Schule und hat es Probleme in oder mit der Schule dann hat es diese Last den ganzen Tag.

Die Schule lässt die Eltern auch sehr spüren, dass die Eltern nicht da sind. Hier sind Eltern die voll Berufstätig sind ganz ganz unten angesiedelt. Die Schule versteht sich nämlich nicht als Dienstleistung. Die Schule versteht sich als Schule. Und so kann man auch erwachsene und berufstätigen Menschen noch tadeln und belehren. Ist das nicht prima?

Auch im Umfeld gibt es Vorwürfe. Wenn das Kind Probleme in der Schule hat, zum Beispiel.

Wir sind noch lange nicht in einer Gesellschaft angekommen, in der es normal ist, dass Eltern Vollzeit arbeiten können, wenn diese wollen.

Fazit

Es war wichtig, dass meine Frau sich beruflich so entfalten konnte wie sie es wollte. Wichtig für ihren Seelenfrieden. Wichtig für unsere Beziehung und langfristig hat es sich auch monetär durchaus gelohnt. Mittlerweile verdient meine Frau mehr Geld also ich und wird laut Rentenbericht auch mehr Rente erhalten als ich. Damit sind wir also wirklich auch unterm Strich ausgeglichen. Und nein, unser Sohn ist nicht zu kurz gekommen. Weil in der Freizeit hatten wir immer Zeit fürs Kind und hatten immer Geld um tolle Dinge zu tun. Wir mussten uns nicht streiten und das Kind musste nicht erleben wir wir abends am Küchentisch sitzen und zusammen rechnen wie wir in der nächsten Woche den Einkauf zahlen können. Und wenn wir eine Auszeit brauchten, dann haben wir uns die genommen und sind weggefahren.