Bis ich mich in meine Frau verliebt habe, waren mir meine Freunde das allerwichtigste. Es gab verschiedene Freundeskreise. Einmal die Freunde aus der Schule, die Freunde aus der Ausbildung, die Freunde aus dem aktuellen Job und den Freundeskreis, der sich aus dem Jugendrat meiner Heimatgemeinde gebildet hat (klingt jetzt recht spießig, war es aber nie).
Im Laufe der Jahre bildeten sich dann neue Freundeskreise aus den alten. Was ja auch normal ist. Das Zentrum eines der Kreise waren ein Mädchen und ich. Wir beide waren ziemlich beste Freunde und hatten ein inniges Verhältnis. Ich möchte jetzt gar nicht bewerten, was diese Freundschaft angetrieben hat und wer vielleicht wem der bessere Freund war. Meine Lieblings-Serie damals war allerdings Dawsons Creek in der es unter anderem um die Liebesbeziehung zwischen zwei besten Freunden geht. Und so gab es auch das eine oder andere Besäufnis, in dem meine unterdrückten Gefühle herausgebrochen sind. Ich weiß bis heute nicht, ob sie das nicht bemerken wollte oder es wirklich nicht bemerkt hat. Es kam also nie zu einer Beziehung, aber die Freundschaft war viele Jahre auch über größere Distanzen da.
Dann verliebte ich mich in meine Frau und die Freundschaft zu diesem Mädchen zerbrach. Ich konnte eben nicht zwei Personen die gleiche Aufmerksamkeit zukommen lassen. Ich musste mich entscheiden. Und leider sticht Freundschaft niemals die Liebe.
Daran musste ich denken, als ich neulich den Artikel „Warum ihr regelmäßig glaubt, in euren besten Kumpel verliebt zu sein“ auf vice.com gelesen habe.
Sich in den besten Freund zu verlieben, ist ein Mythos. Das funktioniert nur bei Klaus Lage [Anm. d. Red.: Ihr wisst schon, der Sänger von „1000 und 1 Nacht“] und in Hollywood-Filmen“, sagt Paartherapeut und Buchautor Christian Thiel. Ja, alle verwirrten Romantiker und Phantom-Verliebten da draußen, ich muss euch leider mitteilen: Das, was ihr denkt zu fühlen, ist Schwachsinn.
Was mein Namensvetter da ablässt, ist aus meiner Sicht der Schwachsinn. Erstmal hat Klaus Lage gar nicht die große Liebe beschworen, sondern wohl eher das kurze Tätatä zweier Freunde. Etwas, was wohl doch viel häufiger vorkommt als man denkt.
Sicherlich wird die Verliebtheit unter Freunden meistens eine unglückliche Liebesgeschichte sein, da diese in der Regel nur einseitig auftritt. Aber das ist eigentlich schade, denn es würde so vieles vereinfachen.
Auf dem Weg vom Verliebtsein, über die Liebe, zu einer langjährigen Beziehung werden die zwei Menschen, die sich sexuell angezogen fühlen, nämlich zu besten Freunden, die gemeinsam durch Dick und Dünn gehen. Die gemeinsam Entscheidungen treffen und umsetzen. Die sich gemeinsam genug sind. Die füreinander da sind und für einander einstehen.
Bis auf die Sex-Geschichte hatte ich all diese Sachen auch mit meinen sehr guten Freunden und eben auch mit dieses Mädchen. Das Einzige, was fehlte, war die gegenseitige sexuelle Anziehungskraft, die später in einer Beziehung sowieso nebensächlich wird. Warum soll es also keine gute Idee sein, sich in seine beste Freundin zu verlieben?
Ich bin mir also sicher, dass zwei beste Freunde und ein tolles Paar abgeben könnten, wenn das Timing stimmt und beide zum gleichen Zeitpunkt die gleichen Gefühle für einander haben. Und da scheint dann wohl eher das Problem zu liegen.
Natürlich bin ich heute froh, dass es nicht so gekommen ist, denn sonst hätte ich ja „meine Beziehung fürs Leben“ vielleicht nie bekommen. Aber das weiß man ja nicht.