Hier bei uns im Norden ist der Sommer ziemlich ins Wasser gefallen. Es regnet, viel und nervig. Ich erinnere mich da an ganz andere Zeiten….
Wenn man so zwischen 12 und 16 Jahren alt ist, dann definiert sich der Sommer über den Zeitraum der Sommerferien. In meiner Erinnerung gab es drei Sommer in Folge, die sehr warm und sehr schön waren. Diese drei Sommer hab ich jeweils vollständig an einem Baggersee verbracht, der durch den Bau der A28 entstanden ist und der dann von der örtlichen Kommune zu einem richtigen Badesee angelegt wurde.
Der Badesee verfügte über große Liegewiesen, einer Schwimmbad-typischen „Heise Hexe“-Gastronomie, einen Strand, ein großer Nichtschwimmerbereich mit einer Insel in der Mitte und einen Steg, von dem aus man ins tiefe Wasser springen konnte.
Ich schreibe in der Vergangenheitsform, weil ich nicht weiß, wie es heute um die Gastro bestellt ist. Der See hat im Laufe der Jahre auch noch weitere Attraktionen dazubekommen, ich bin da aber schon seit 25 Jahren nicht mehr gewesen.
Für Jugendliche war der Badesee immer kostenlos. Die meisten von uns kamen aus Remels und wir mussten knapp 5 km mit dem Rad fahren. Die direkte Strecke ging an der ehemaligen B75 lang. Langweilig (weil nur gerade) und laut. Und wenn es heiß war, so war es auf dem Radweg an der B75 nochmal heißer. Und wenn auch nur ein leiser Wind wehte, dann war das der Horror. Man kam nicht voran. Es gab aber auch eine „Hintenrum“ Strecke. Die war dann ein wenig länger, aber eben mehr Abwechslung. Es gab Bäume und Schatten und Kurven und toll. Meißt fuhren wir die „Hintenrum“-Strecke.
Nie haben uns Eltern gefahren. Immer waren wir auf eigenen Rädern unterwegs. Handtuch, was zu trinken und trockene Sachen. Vielleicht Knabberkram und 5 DM für Eis und Heiße Hexe. Aber Geld hatte man nicht jeden Tag. Häufig teilte man sich auch eine Portion Pommes. Wir hatten halt nichts. Das war aber auch die einzigen Gemeinsamkeiten der 3 Sommer im Sander-Beach, wie wir den Badesee-Großsander nannten.
Sommer 1
Im ersten Sommer, den ich dort verbracht haben, lag ich mit meinen Jungs immer in der ersten Liege-Bucht. Möglichst Nahe an der Gastronomie, der Rutsche und dem Nichtschwimmer-Bereich. Das Rutschen machte nur in der Mittagszeit oder am Abend Spaß, denn dann war so wenig los, da man nicht lange warten musste. Wenn zu viel los war, dann waren wir im Wasser und spielten Krieg. Der Schlick war unsere Waffe und die Insel musste erobert bzw. verteidigt werden. Das konnte man Tage lang in wechselnden Team machen. Häufig gab es Ärger mit Eltern von kleinen Kindern oder anderen Erwachsenen, die getroffen wurden. Meisten war der Treffer auch ein Versehen. Kollateralschäden nicht war.
Das südliche Ufer der Insel lag im Schwimmerbereich, so da man sich tauchend anschleichen und den Gegner von hinten überraschen konnte. Das wusste natürlich auch jeder und so wurden gerne Wachen abgestellt. Die Wachen haben aber nie lange durchgehalten, mit Matsch ein der Hand auf der Insel stehen und warten ist ja auch langweilig. Der Hinterhalt hat also immer geklappt.
Wenn wir auf der Insel standen und sahen, dass viele Badegäste wieder gingen, legten wir uns auf unsere Handtücher und trockneten. Man wusste, dass es dann so um 17 Uhr sein musste und die unausgesprochene Regel war: zum Abendbrot muss jeder zuhause sein und das war so um 18:30. Sobald wir trocken waren, fuhren wir auch los. Sich umziehen in der Öffentlichkeit ging gar nicht und die Umkleidekabinen – naja – das war halt gefährlich, weil man da herumklettern konnte und sich immer jemand einen Spaß machte in die Kabine des Nachbarn zu schauen. Aber wenn die Badehose trocken war, konnte man sich die kurze Hose und das Shirt ja einfach überwerfen und los.
Sommer 2
Der Strand war nicht mehr cool. Denn da waren nur Familien und kleine Kinder. Unser Liegeplatz war vorne im Gras und am Steg. Vom Steg konnte man nämlich ins Tiefe Wasser springen, was aber nicht erlaubt war. Das ging nur an den Tagen wo wenig Betrieb war oder wenn die Schwimmmeister nach 18 Uhr Feierabend hatten.
Was aber kein Problem war. Wir mussten nicht mehr um 18:30 zum Abendbrot da zuhause sein. Wir kamen auch erst später an den See, meistens erst so ab 15 Uhr vll 16 Uhr. Wenn der Badesee sich leerte eroberten wir die Rutsche und machten dort dummes Zeug. Alles das, was nicht erlaubt war. Mit 10 Mann gleichzeitig rutschen. Auf dem Bauch. Sich gegenseitig an den Füßen halten und wie eine Kette ins Wasser fallen. Das Wasser aufstauen, in dem man sich so dicht wie möglich in die Röhre quetschte. Und natürlich ganz viel vom Steg ins Wasser springen.
Irgendwann in diesem Sommer kamen die Tretboote. Und die Tretboote konnte man kostenlos und zeitlich unbegrenzt nutzen. Das ging aber nicht lange gut. Es dauerte nur wenige Tage, dass die Tretboote irgendwo am anderen Ufer lagen und die Mitarbeiter der Anlage die zurückfahren mussten. Also wurden die Boote angeschlossen und man musste einen Schlüssel gegen Pfand holen.
Dennoch war es in der Regel so, dass eine Clique ein Boot nahm, damit auf den See rausfuhr und dann stundenlang draußen blieb. Man saß auf dem Boot, sprang von dort ins Wasser und kletterte wieder hinein. Man machte so jugendliche Dinge. Einige in der Clique schwammen ans Ufer, andere kamen wieder. Manchmal war man mit 10 Leuten drauf, obwohl ja nur 4 erlaubt waren. Gesunken ist nie eins. Und man machte sich lustig über die Gruppen, die sich am Steg warteten, dass man mit dem Boot wieder kommt.
Im kommenden Sommer gab es dann ein 30 Minuten Limit und es kostete Geld. Für uns purer Kapitalismus. Aber vielleicht auch die Konsequenz aus dem Missbrauch der Freiheit und der dadurch folgenden Beschwerden. Denn natürlich wollten auch andere Kinder und Familien die Tretboote nutzen.
Der Nachteil an den Booten: Hatten das Personal Feierabend, waren alle Boote am Steg befestigt und das mit dem ins Wasser springen klappte nicht mehr.
Erwischte man kein Boot, suchte man die Mädchen, die irgendwo anders am Strand lagen und ging mit denen ins Wasser, gerne in den Bereich wo man knapp noch stehen konnte (also die körperlich kleineren Mädchen). Die kamen dann nämlich näher und hingen an einem, damit sie nicht ständig schwimmen mussten. Kamen das jeweilige Mädchen nicht mit ins tiefere Wasser, dann wusste man Bescheid. Hier hatte man Abstand zu halten. Kam dieses Mädchen dann mit einem anderen Jungen ins tiefere Wasser, wusste man natürlich erst recht Bescheid.
Und wenn man keinen Ball zum Werfen hatte oder mit nichts zu sabbeln dann wurden die Mädchen halt untergedubbelt. So kam man sich näher und konnte Dinge spüren, die man bis dahin nicht kannte. Das kalte Badeseewasser war hier von Vorteil und Nachteil.
Hatte man was zu werfen, dann wurde Ball gespielt. Fing man den Ball nicht und schwamm hinterher, dann kam ein Mädchen mit, um einen im Schwimmen unterzutauchen.
Sabbelt man und ärgerte dabei ein Mädchen … dann versuchte dieses einen unterzutauchen … ihr ahnt es schon.
Ach diese Pubertät.
Sommer 3
Jetzt lagen wir noch weiter Weg vom Strand, Steg und der Gastro. Möglichst weit entfernt von allen Erwachsenen, möglichst wenig Kontrolle und viel Platz für die große Gruppe Jugendlicher, die da auf einer Stelle chillte. Auch wenn es den Begriff chillen für uns noch nicht gab. Es war auch der erste Sommer in dem Mädchen und Jungs gemeinsam am Wasser lagen.
Wir waren jetzt ja erwachsen und da gab es Pärchen und Ex-Freunde und alles was dazu gehört. Alkohol spielte am Tag keine Rolle. Maximal Alsterwasser gab es. Andere Drogen sowieso nicht. Im Wasser war man nur noch, um sich abzukühlen oder wenn man zum Beachvolleyballfeld rüber schwamm. Denn Beachvolley-Ball war so das Ding im dritten Jahr.
Das mit den Mädchen rumtollen gab es nicht mehr. Die Mädchen hatten jetzt entweder ältere Freunde oder waren vorsichtiger / mehr auf Abstand. Klar, auf Partys im Dunkeln konnte man knutschen, aber in der Öffentlichkeit wurden Intimitäten nur mit einem festen Freund ausgetauscht. Das war ja auch irgendwie eine Message an die Welt.
In diesem Sommer bleibt man auch gerne bis zur Dämmerung und bis der See wieder ganz flach und still geworden ist oder bis die Akkus vom Walkman leer waren.
Dieser Sommer war aber kürzer als die vorherigen. Denn wir hatten die Schule abgeschlossen. Einige von uns begannen eine Ausbildung und wir hatten deswegen kürzere Ferien als die Freund*innen, die weiter zur Schule gingen. Und tatsächlich hat sich dann vieles geändert.