Vermutlich ist es politisch nicht korrekt, sich die Besonderheiten von Neuro-Diversen Menschen anzueignen. Vielleicht fehlt es aber auch nur an den passenden Wordschöpfungen, um knackig zu erklären, was gemeint ist.
Wie auch immer. Holger hat mich als Hobby-Autist betitelt. Mir fällt dazu vor allem folgende Geschichte ein:
Es ist viele Jahre her, dass Holger und ich in einer Firma gearbeitet haben. Und es ist noch länger her, dass wir in Fahrgemeinschaft jeden Tag dort hin und wieder zurückgefahren sind. Auf diesem Arbeitsweg gibt es eine Kreuzung mit Ampel. An dieser Kreuzung fährt man links und dann gleich wieder rechts und folgt dann dem Streckenverlauf bis zur Autobahn. Jeden Tag. Immer. Ich glaube, in der Zeit der Fahrgemeinschaft gab es auf der Strecke keine Baustelle oder Sperrung, kein Grund anders zu fahren.
An diesem einen Morgen fahren wir also auf die Kreuzung zu, Holger ist am Steuer. Ich weiß nicht mehr, ob auf der linken Abbiegerspur viele PKWs standen und die rechte frei war, oder ob Holger sich nur ein Jux erlauben wollte. Er setzte auf jeden Fall den Blinker rechts und bog ab.
Mein Körper war geschockt und wollte Fluchtreflexe auslösen. Alle Muskeln spannten sich an, der Puls raste. Ich hatte das Gefühl von Beklemmung und leichte Panik. Ich konnte mich gar nicht beruhigen. Das hielt so für knapp 5-8 Minuten an. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir auf der Autobahn die Stelle passierten, an dem wir normalerweise die Autobahn erreichten und wieder im „normalen Fahrwasser“ waren.
Es ist nämlich vollkommen egal. Auch rechts rumkommt man auf die gleiche Autobahn, nur eben eine Auffahrt früher. Man fährt halt ein kleines Stück in die falsche Richtung. Vom Zeitfaktor ist es egal, von der Strecke vielleicht etwas länger.
Ich hab nachgeschaut, die Strecke rechts rum ist 2 km länger, spart aber 3 Minuten Fahrzeit.
Wie auch immer, diese leichte Abweichung vom täglichen Trott hat mich zwar wach gemacht, aber hat mich auch echt mitgenommen. Ich höre noch heute Holgers leicht gehässiges Schmunzeln neben mir.