So einfach kann Banking sein? Ich bin fasziniert. Ich hab diese Woche die App der ING auf meinem Smartphone eingerichtet und ich bin schockiert wie einfach das war. Es folgt 30 Jahre Online-Banking-Geschichte.
Um den Schock etwas besser verständlich zu machen, muss ich wohl etwas ausholen. Irgendwann in den 90er Jahren bot meine Volksbank ein kostenloses Giro-Konto an, wenn man dazu auf Online Banking umstellt. Klar, war ich dabei. Sofort. Die Bank hatte dafür eine eigene Windows-Software, die ich als Telekomer aber nicht verwenden wollte. Ich nutzte die T-Online Bankingsoftware 2.0 bzw. später 4.0. Ich bekam in getrennten Briefen eine PIN und eine TAN Liste. Im Banking über BLZ die Bank ausgewählte, Kontonummer eingehackt und nach Eingabe der PIN die Umsätze gezogen.
Ich bilde mir ein, das ich beim ersten mal die PIN ändern wollte und das damals noch auf einer BTX Seite passieren musste, wegen der Sicherheit. Sicher bin ich mir da aber nicht, könnte es mir aber vorstellen weil so Webseiten hatten die Banken damals nicht so richtig.
Alternativ zur TAN-Liste gab es das HBCI-Chipverfahren. Eine sicherer Schlüssel auf eine Karte (Nein nicht auf der EC-Karte, das wäre zu einfach) abgelegt und ein HBCI-Chipkartenleser an den PC angeschlossen. Sicherer als die TAN-Liste ganz bestimmt. Aber man musste die Hardware selber zahlen und das war es mir nicht wert.
Mit dieser TAN-Liste bin ich dann auch immer gut zu Recht gekommen. Lag zusammengefaltet unter der Tastatur, die benutzen TANs immer fein durchgestrichen. Sicher war das alle mal. Leute die „zufällig“ in meinem Zimmer oder in der Wohnung waren konnten PCs kaum bedienen. Für Hacker war die Liste unerreichbar. Die Hacker begannen aber damit Phishingseiten einzurichten, die ein abfangen der TANs ermöglichten. Dazu aber später mehr.
Die zweite TAN Liste auf meinem Schreibtisch gehörte meiner Mutter. Den bei kostenlos war auch sie dabei. Und so kümmerte ich mich einige Jahre um die Überweisungen. Wenn ich von der Arbeit kam, lag auf der Treppe ein Stapel Rechnungen und damit war der Auftrag klar. Das bitte überweisen, auf der Rechnung markieren das es bezahlt ist und den Stapel wieder zurück geben. Das ging sogar ohne Worte.
Als ich dann Auszog musste meine Mutter das wieder selber bewerkstelligen. Ich stellte Ihr einen PC in mein altes Zimmer und zeigte Ihr wie das so alles geht und sie kam damit klar. Dann wurde es aber wild. Die T-Online Software wurde eingestellt und meine Mutter musste auf die Internetseite der Bank ausweichen. Der PC wurde zu alt, der aktuell notwendige Browser wollte nicht so recht. Neue Hardware musste her. Die Internetseite änderte ständig die Oberfläche. Da meine Mutter aber nie richtig verstand was sie da tat sondern sich „nur“ die einzelne Schritte merkte, musste sie dann immer alles neu lernen.
Gleichzeitig wurden es ein Problem das die Nutzer keine lokale Software mehr für Ihre Banking Geschäfte nutzen sondern die Internetseiten. Dies wurden nämlich von Hackern immer besser nachgeahmt und so haufenweise Konten geplündert. Die Banken mussten also was tun, um Banking sicherer zu machen. Jetzt gab es eine Vielzahl an Sicherheitsmethoden. TAN Versand per SMS, TAN-Generatoren, später dann TAN-Generatoren die QR-Codes scannen etc pp. Aus meiner Sicht wurde es immer wilder.
In der Zeit heiratete ich und meine Frau und ich führten ein Gemeinschaftskonto. Erst bei der Postbank mit TAN-Liste, dann bei der ING (früher DIBA) mit TAN-Listen. Die ersten Jahre unserer Ehe waren finanziell angespannt. Haus ganz neu, Kind ganz neu. Elterngeld und später Teilzeitgehalt. Man hat sich wegen Geld gestritten. In den Augen meiner Frau waren die Ausgaben immer erforderlich und vermutlich war das auch so. Ich wollte mich nicht streiten und schaute nicht mehr aufs Konto. Meine Frau sollte mir sagen wenn ich kein Geld ausgeben dürfte und fertig. Ich selber machte also keine wirklichen Erfahrungen mit diesen ganzen Neuerungen. Ich blieb bei der TAN-Liste hängen.
Immer wenn die Bank meiner Mutter wieder was erneuerte und sie mich fragte was zu tun sei, versuchte ich so gut wie möglich zu helfen. Aber es wurde schwieriger weil ich das ja nicht kannte und sie zeitweise auch recht weit Weg von mir wohnte. Ich konnte nicht eben vorbei fahren und mir das zeigen lassen. Interessanterweise bekam sie das dann auch ohne mich hin. Daumen hoch.
Ich hatte also viele Jahre nichts mehr mit all dem Kram zu tun und war froh darüber, bis der Junior dann ein Konto haben wollte. Wir machten ein GLS Konto auf und ich richteten das auf seinem Smartphone ein. Zwei Apps, unzählige Briefe. Ohne Spass: wir brauchten 3 Anläufe bis alles funktionierte. Da als Schüler auf einem solchen Konto nicht soooviel los ist, vergaß er natürlich die notwendigen PINs. Der ganze Kram ging von vorne Los. Meine Frau schüttelte den Kopf: Bei der ING ist das alles so einfach. Warum hier so kompliziert? Zur Ausbildung wechselte er zur Volksbank, er wollte das. Hab ich nicht verstanden, aber okay. Sein Ding. Auch hier alles so kompliziert wie bei der GLS aber er jetzt älter und reifer – hat es gemeinsam mit der Mutter auch hinbekommen.
Ich war noch immer froh, das ich mich vor dem Scheiß drücken konnte, tja … so lange bis ich im neuen Jahr direkt geblitzt wurde. Meine Frau sagte: Ich überweise das nicht. Mach das selber. Keine Ahnung was das eine mit dem anderen zu tun hat. Aber sie will ja schon länger das ich wieder mehr Verantwortung für das Konto übernehme und dachte wohl das sie jetzt einen Hebel hat.
Lieb schauen und Überredungskünste blieben ohne Erfolg. Ich schnappte mir also maulig mein Handy und installierte die App. Zum Login braucht es ne PIN. Hab ich nicht. Ah .. da kann ich mir eine PIN erstellen, dafür brauch ich ein Einmalpasswort das man mir per Post zuschickt. Die Angaben zum auslösen des Briefversandes sind einfach und kann ich ohne Papierkramdurchsuchen eingeben. 2 Tage später ist der Brief dar. Innerhalb von vielleicht 10 Minuten ist die PIN eingerichtet, eine zusätzliche Identifizerung durch Hochladen meines Persos erledigt und die 2FA mit meinem Smartphone aktiviert und ich sehe die Kontostände in der App. Was ich sehe gefällt.
Ich nutze die Überweisungsfunktion der App und scanne den QR-Code. Bin mir sicher das jetzt irgendwas von mir verlangt wird. TAN, Auftragskennwort … irgendwas das ich nicht habe und dann erst mal beantragen und einrichten muss. Stattdessen soll ich meine Fingerabdruck leisten. Und der Betrag ist überwiesen. Fertig.
What? So kann also Digitalisierung gehen? Hab dann nochmal gleich die Kreditkarte im Google Wallet hinterlegt, so das ich dann jetzt wohl auch mit dem Smartphone am Kartenleser zahlen kann und bin gespannt wie oft ich die App jetzt nutzen werde.
Meine Mutter bzw. mein Stiefvater machen keine Onlinebanking mehr, alles zu kompliziert geworden. Hier wird mittlerweile wieder der Überweisungsträger per Hand ausgefüllt und dann bei der Bank in den Briefkasten eingeworfen. Muss mir da auch mal was überweisen bei Gelegenheit. Dann sieht der Blick in der Banking-App noch ein wenig geiler aus.