Zwei Bäume

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Zwei alte Bäume stehen sich gegenüber. Eine breite Straße mit Gehwegen trennt sie voneinander. Sie haben mächtige Stämme und riesige Baumkronen. Dicke Äste mit vielen Blättern sorgen für Schatten auf der Straße und den anliegenden Gärten. Bei genauerer Betrachtung scheint es fast, als wollten die beiden sich in der Mitte der Straße treffen und berühren.

Die Bäume kennen sich schon lange. Seitdem sie wissen, dass sie sind, wissen sie auch von dem anderen. Anfangs konnten sie sich nur sehr schwer unterhalten. Zu klein und zu wenig Blattwerk. Das Rascheln der Blätter im Wind war sehr leise. Nur wenn der Wind das Geräusch des einen zu dem anderen trug, konnten sie einander verstehen.

Das wurde leichter, als Sie älter wurden und wuchsen. Die jungen Bäume spielten miteinander. Im Herbst gewann derjenige, dessen Blätter am weitesten flogen, bevor sie die Erde berührten. Oder trockene Äste wurden zu Boden geschleudert und zerbrachen in viele Stücke. Der Sieger war der mit den meisten Teilchen. Im Frühjahr ginge darum, wer das erste Blatt hatte oder wer am schnellsten dichtes Laub in der Krone trug. Bei diesen Spielen gewann meistens der Baum, hinter dem immer die Sonne aufging. Er war auch ein wenige größer und älter. Aber das Alter spielt keine Rolle im Leben eines Baumes.

Die Veränderungen um sie herum nahmen sie dabei kaum wahr. Der Weg, an dem Sie aufwuchsen, wurde zur befestigten Straße und rund herum wurden Häuser gebaut und Gärten entstanden.


Den ersten Menschen, den sie bewusst wahrnahmen, war ein kleiner Junge, der auf dem jüngeren Baum kletterte. Für den Baum fühlte es ich komisch an, die Hände zu spüren, die seine Äste fest umklammerten. Und die Tritte der Füße, die sich in die Rinde bohrten, um Halt zu finden. Was war das? Er kannte Eichhörnchen und Vögel, die in Ihren Nestern brüteten. Das fühlte sich aber vollkommen anders an.

Er wollte sich gerade schütteln, als der ältere Baum ihm zu raschelte, dass es sich dabei wohl um ein kleines Geschöpf handelt, das sehr ängstlich aussah. Offenbar konnte es nicht vor und nicht zurück. Der jünger Baum reichte dem Menschenkind mithilfe des Windes einige Äste entgegen. Das Kind fasste allen Mut zusammen und kletterte vorsichtig hinunter. Den Boden erreicht, umfasste das Kind den jüngeren Baum zärtlich und war froh heile wieder am Boden zu sein.

Der jüngere Baum beschrieb seinem älteren Freund ganz genau, wie er sich dabei fühlte. Wie es war, als die Ängstlichkeit aus dem Körper des Kindes glitt und dafür ein zärtliches Streicheln auf der Rinde zu spüren war. Ein wohliger Schauer überfuhr ihn. Sowas kannte auch der ältere Baum noch nicht.

Die nächsten Jahre verbrachten Sie damit, die Menschen zu beobachten. Die Menschen waren so anders als die Bäume. Sie waren immer beschäftigt und immer in Hektik. Sie redeten viel und laut. Menschen waren unsicher und gleichzeitig mutig. Und es gab viele Menschen und trotzdem waren viele allein.

Die Menschen waren faszinierend und eine tolle Ablenkung. Und weil das so war, waren die Bäume den Menschen immer wohlgesonnen. Als da ein Junge sich hinter einem Baum versteckte, weil er sich nicht traute, die Liebe seines Lebens anzusprechen, schüttelte der Baum sich geschickt, sodass der Junge direkt vor dem Mädchen landete.

Als das verliebte Pärchen Schutz vor dem Regen suchte, schob der ältere Baum sein Laub so weit zusammen, dass kein Regen mehr unten ankam. Aber nur auf einer kleinen Fläche. Das Pärchen musste ganz dicht beieinander stehen.

Als da eine Hochzeit gefeiert wurde und das Brautpaar diesen Moment mit schönen Bildern verewigen wollte, ließ der jüngere Baum das Licht so geschickt durch die Blätter blitzen, dass es ganz besondere Momente waren, die auf diesen Fotos festgehalten wurden.

Irgendwann waren die Bäume so groß geworden, dass niemand mehr auf ihnen klettern konnte. Die Menschen hatten auch die Äste unten abgesägt, damit diese den Fahrzeugen nicht im Wege waren. Die Bäume waren darüber aber nicht böse. Sie waren sogar ein wenig froh. Denn das Leben wurde immer beschwerlicher. Die großen Bäume brauchten viel Nahrung und Wasser und die Winde rüttelten immer stärker an den Kronen. Die alten Äste ließen sich nicht mehr so gut bewegen und insgesamt waren die beiden Bäume glücklich über jeden Moment der Ruhe.


„Ich bin böse auf die Menschen!“, raschelte der junge Baum dem älteren während eines Sturms zu. Er blickte dabei auf die Familie, die am Stamm des Baumes Schutz suchte. Ein Großvater mit seinen Kindern und Enkeln. „Ich hätte auch gerne kleine Bäume hier, denen ich von meinem Leben erzählen könnte. Aber alles, was hier wächst, wird von den Menschen weg gezupft. Und, weil überall Steine liegen, ist das sowieso nicht viel. Sie sind so grausam zu uns.“

„Aber sie können nicht anders, es liegt in ihrer Natur. Und sie wissen, dass es nicht gut ist. Deshalb geben sie uns ja auch Wasser in den besonders heißen Sommern. Deshalb versuchen Sie in ihren Gärten kleine, aber beherrschbare Freunde für uns heranzuzüchten. Sie wissen um Ihre Fehler, werden aber nicht alt genug, um daraus zu lernen. Sei ihnen nicht böse. Sie können nichts dafür.“ erwiderte der ältere Baum.

Einige Jahre später wusste der jüngere Baum, dass der ältere recht gehabt hatte. „Aber dennoch bin ich neidisch. Die Menschen können sich gegenseitig berühren, wenn sie wollen. Ich würde dich gerne berühren. Denn du bist das Wichtigste in meinem Leben!“, platze es aus ihm raus. Der ältere musste darüber nachdenken. „Okay, wir könnten ja unsere Äste über die Straße wachsen lassen. In ein paar Jahren werden wir uns dort in der Mitte berühren und dann werden wir uns spüren und immer zusammen sein.“

Die nächsten Jahre wurde jede Energie in das Wachstum eines Astes gesteckt. Sie kamen sich immer näher. Leider wuchs die Sehnsucht nach der gegenseitigen Berührung, schneller als das Holz und so wurden die beiden unvorsichtig und achteten nicht mehr auf Ihr Gleichgewicht. An einem Spätsommertag stellten die beiden fest, dass es nur noch ein Frühjahr dauern kann. Dann würden sich Ihre Blätter gegenseitig kitzeln können.

Vor lauter Freude bemerkten Sie nicht, dass ein Sturm aufzog. Erst das laute Knacken des brechenden Stammes des älteren Baumes holte sie in die Realität zurück. Dem älteren war sofort klar, dass es kein Zurück mehr geben konnte. Er ächzte laut und stöhnte. Alle Tiere und Menschen sollten verschwinden. Er konnte nicht mehr. Er war aber auch schon wirklich alt.

Er hat so lange gestanden.

Er kippte um. Der jüngere versucht den Fall aufzuhalten, in dem er sich über die Straße lehnte und all seine Äste seinem Freund entgegenstreckte. Auch sein Stamm brach.

Eng umschlungen lagen die beiden auf der Straße. „Jetzt ist es zu Ende“ raschelte der Jüngere leise. „Ja, das stimmt.“, wie ein Flüstern war das Rascheln des alten Baumes auf dem Asphalt zu hören, „Aber es ist gut so. Mehr hat das Leben nicht mehr zu bieten. Wir waren gute und nützliche Bäume. Wir waren freundlich und glücklich. Und heute haben wir unser Lebensziel erreicht. Wir können eng umschlungen einschlafen und uns gegenseitig trösten.“

„Trösten müssen wir uns nicht. Es gibt keinen Grund, traurig zu sein. Du sagst es ja selbst, wir haben alles richtig gemacht. Jetzt lass uns diese letzte gemeinsame Erfahrung einsammeln und schauen, was der Tod uns bringen kann ……“