81 Tage alleine im Home-Office

IT-Probleme haben mich gezwungen mit meinem Notebook zum Standort zu fahren, um dort eine komplette Neuinstallation durchzuführen. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht darüber reden, das für diese Prozedur satte 6 Stunden veranschlagt werden und nach 8 Stunden noch immer nicht die komplette Software auf der Kiste war. Ich möchte auch nicht darüber reden, warum sowas nur aus dem Office-LAN möglich ist. Nein … in diesem Artikel geht es um Erkenntnisse.

Erkenntnis 1 – sind wir schon lange weg.

Nachdem die Installation lief, ließ ich den Blick durch den Raum schweifen und erblickte einen Kalender.

Und mir wurde bewusst, wie lange ich schon nicht mehr in diesem Büro gesessen hatte. 81 Tage. Eine lange Zeit.

Die ganze Szene ist total sureal. Kurz vor dem Lock-Down gab es ein Chacka-Aktion am Standort. Dafür wurde viele Zeug aufgehängt und kleine Umbauten vorgenommen. Es entstanden Lounges im Großraumbüro. Zum Teil nicht fertig geworden und zum Teil hängt der Kram da jetzt einfach rum. Die 400 Mitarbeiter haben den Standort in wenigen Tagen geräumt. Also wirklich geräumt, weil die Ihre IT mitgenommen haben. Alles ist als zerpflückt und zerrupft.

Es gibt aber auch schon Vorbereitungen für den Wiedereintritt. So wurden Arbeitsplätze gesperrt und andere als Frei gekennzeichnet. Die gesperrten Plätze haben aber noch IT. Die freien nicht. Es sind aber ja noch gut 10 Tage bis die ersten 80 Mitarbeiter wieder zurück dürfen.

Erkenntnis 2 – Im Home-Office ist besser

Eine Zeit, in der ich mich die ersten Tage einfach nur gefreut habe, dass es geht. Mein Sohn war zu Hause und musste betreut werden. Das war jetzt viel einfacher.

Schnell wurde mir aber klar, dass ich meine Kollegen vermisse. Das rumfrotzeln beim gemeinsamen Kaffee holen. Die kleinen Fragen die man sich eben schnell gegenseitig stellt. Das Austauschen von privaten Dingen. Die Vertrautheit miteinander.

Danach kam eine Phase, in der ich erkannte das man das alles nicht braucht. Nicht das ich ein Einzelkämpfer wäre, aber die Tatsache das man telefonieren muss, um jemanden was zu fragen, bringt einen dazu erstmal selber darüber nachzudenken und selber eine Lösung zu finden. Dass wiederum hat den Vorteil, das man nicht ein zweites Mal fragen muss.

Auch ist die Informationsflut deutlich gedrosselt und ich kann besser steuern, wann ich konzentriert arbeiten möchte. Wenn ich will bin ich komplett weg. Und niemand kann mich erreichen. Und trotzdem bin ich da.

Ich kann also mehr erreichen und dabei effizienter und sorgfältiger vorgehen.

Erkenntnis 3 – Für Neulinge ist Home-Office scheiße

Demnächst muss hoffentlich ein neuer Mitarbeiter eingearbeitet werden. Wie soll das gehen? Wie soll dieser die notwendigen Kontakte knüpfen und wie soll dieser seine tausenden Fragen beantwortet bekommen? Das was für mich gut funktioniert, funktioniert gut, weil ich den Job schon seit 14 Jahren mache. Und die notwendige Erfahrung kann ich in 14 Tagen Einarbeitungsphase nicht erhalten.

Erkenntnis 4 – Großraumbüros sind gruselig und ungesund

Das Notebook bekam seine Datenpakete und ich hab da gesessen. Füße auf der Fensterbank. Die Augen geschlossen. Es waren keine Stimmen zu hören. Keine Türen, die sich öffneten und viel zu laut schließen. Keine Beschwerden darüber das der Kaffee schon wieder leer sei und keiner neuen gekocht hat. Absolute Ruhe. Ab und zu ein Knacken. Vermutlich irgendwas in der Belüftungsanlage ….

Die Raumtemperatur war optimal. Nach 10 Minuten hatte ich kratzen im Hals. Können Corona-Viren 80 Tage unter optimalen klimatischen Bedingungen überleben? Die Luft vielleicht ein wenig zu trocken.

Es knallt … ich erschrecke mich. Ein Schild, das an eine Glaswand geklebt hatte, ist heruntergefallen. Nach 81 Tagen. Was für ein Zufall. Auf ein mal fahren die Außenrollos herunter. Machen die immer, wenn die Sonne darauf scheint. Aber für wen machen die das?

Ich erinnere mich an Dr. Who-Episoden auf alten verlassenen Raumschiffen.

Als ich später auf dem Parkplatz stehe, und mich recke, sehe ich das Unkraut die Steine überwuchert. Die Natur kommt schneller als ich dachte. Warum schmerzt mein Nacken und mein Kreuz? Warum juckt der Finger wo ich immer diesen Ausschlag habe. Warte … Rückenschmerzen? Auschlag? Da alles hab ich lange nicht mehr gehabt. Wie lange nicht mehr?

Ach ja, 81 Tage. Eine lange Zeit.


5 Antworten

  1. Avatar von Holger

    Sehr schön. Ein guter Artikel mit interessanten Erkenntnissen.
    Wäre Corona zwei Jahre eher gekommen…
    Egal, meine Tardis hat funktioniert 🙂

    1. Avatar von alphathiel
      alphathiel

      Danke … glaub ich ..

  2. Avatar von Altherr
    Altherr

    passt perfekt in die aktuelle Situation und Humor ist immer gut angesichts des Wahnsinns der uns umzingelt für ein Virus dass bei 99.9 % nix bewirkt.

  3. Avatar von Marc
    Marc

    Das mit dem HO hat seine sonne- und Schattenseite.
    Das Positive ist klar, dass man sich die teils längere Fahrtzeit zu und von der Firma spart, man kann rein theoretisch vom Bett zum Arbeitsplatz in 3 Minuten gehen und sich ins System einloggen. Man kann die Post und Pakete selbst entgegen nehmen und nach Logoff aus dem System kann man sofort seiner Freizeit fröhnen. Auch kann man sich so kleiden, wie man das will und kann sich in der Mittagspause schnell mal aufs Ohr legen.

    Die Schattenseite ist, dass man – zumindest subjektiv bei mir – Vereinsamt. Teils kein einziges Meeting unter der Woche, hier und da mal ein kurzer talk via teams oder Skype.
    Ansonsten recht trostlos.
    Keine Kollegen, selbst die oder das Aloch läuft einem nicht über den Weg, keine gemeinsame Pause, kei smalltalk, nicht mal was anderes sehen… irgendwie das gefühl zu haben, von der Gesellschaft distanziert zu sein.
    Jeden Tag der gleiche Kloß. Aufstehen, computer, Kaffee, Dusche, computer, Pause mal was schnell in die mikro werfen oder ruhen, computer bis 5, Logoff…
    Mir würde wohl am bestrn so ein hybrid Arbeitsplatz passen. 2 tage firma, 3 tage HO.

    Ich bin seit Anfang nov 20 im HO, das sind bisher über 7 Monate….und kein ende in sicht…..
    Vielleicht mal schauen, ob es andere Firmen mit besseren Konditionen gibt… die mir dad bietet, was ich möchte.

    Home office für immer ist für mich unvorstellbar und kicht gewünscht.

    Und ihr?

  4. Avatar von alphathiel
    alphathiel

    Hey Marc,

    das ganze kommt doch sehr auf die persönliche Situation an. Ich hab Familie und einige der Kollegen sind sehr gute Freunde, unter anderem weil man schon seit 20ig Jahren zusammen arbeitet. Da findet man immer einen Gesprächspartner. Auch haben wir es so eingerichtet das man jeden Morgen immer eine gemeinsame Telko mit dem Team hat und einen Chat über den man Späße macht. Und an Tagen wo es keine Telkos gibt, da telefoniert man dann einfach mal so. Man muss sich das Leben halt gestalten.

    Mfg der Alex